CeU Virtuell

„Wer gesund bleiben will, muss die Risiken und Nebenwirkungen unseres Gesundheitssystems kennen“, das war das Thema des Abends des Club europäischer Unternehmerinnen (CeU) mit Dr. Martin Marianowicz, Facharzt für Orthopädie, international renommierter Wirbelsäulenspezialist und Bestsellerautor, der auf Einladung von Kristina Tröger, Präsidentin und Initiatorin des CeU, im virtuellen Meetingroom des Clubs zu den geladenen Unternehmerinnen sprach.

Seine Feststellung über das Gesundheitswesen war ernüchternd: „Von allen europäischen Staaten haben wir in Deutschland die höchsten Kosten mit einem relativ geringen Outcome“, denn im Hinblick auf die Lebenserwartung seien wir „die letzten aller westeuropäischen Länder mit Platz 17.“ „Selbst die Engländer schaffen es noch uns um ein halbes Jahr zu überleben“, obwohl diese wirklich nicht für ihre gesunde Lebensweise und Ernährung bekannt sein. „Wir haben die meisten Krankenhäuser, sind OP Weltmeister, sind Untersuchungsweltmeister, haben in jedem Bereich die höchste Zahl an Operationen“, doch „irgendetwas stimmt nicht, sonst wäre die Lebenserwartung höher“. Und sein Fazit ist eindeutig: „Das liegt am Aufbau des Gesundheitssystems, das darauf aufgebaut ist, möglichst viele Patienten aufzunehmen und möglichst viele OP’s durchzuführen, aber nicht zu verhindern.“ Die Vergütung von einer Operation entspräche der Vergütung von 30 konservativen Therapiejahren (!), so dass die finanziellen Anreize falsch gesetzt seien. Außerdem hätten wir im Gesundheitsmarkt einen „gigantischen Verwaltungswust“ mit hunderten von Gesundheitsämtern, 18 kassenärztlichen Vereinigungen, 18 zahnärztlichen Vereinigungen und einer Vielzahl anderer Gruppierungen, die nicht nur hohe Kosten verursachen würden, sondern auch starke Selbsterhaltungskräfte hätten und alles für die Besitzstandswahrung täten. Und: „Unterdigitalisierung und Datenschutz bringen Menschen um in Deutschland. In Ländern wie Großbritannien, Österreich, Israel gibt es eine Karte, da steht alles drin, von der Geburt bis zum Tod.“ Dies würde bei Notfällen dem behandelnden Arzt sofort wichtige Informationen liefern, um die richtige Behandlung durchzuführen, denn in der Medizin gelte: „Zeit ist Leben“, und dazu koste das langwierige Herumprobieren auch Geld. Zudem werde bei uns zu wenig auf Qualität geachtet: „Die Holländer und Skandinavier leben deutlich länger und haben ein System, das stark auf Qualität aufgebaut ist, die Krankenhäuser werden auf Basis ihrer Expertise vergütet“. Bei uns dagegen gäbe es viele schlecht ausgestattete Kreiskrankenhäuser, die im Ernstfall kaum helfen könnten und zusätzlich sei das System geleitet von Intransparenz und mangelndem Qualitätsmanagement. Auch die Abrechnungskataloge seien seit 30 Jahren nicht reformiert worden, weil man sich in den Gremien nicht hätte einigen können, wodurch unser Standard der modernen Medizin um 25 bis 30 Jahre hinterherhinke. „Man macht das, was man immer gemacht hat.“

Auf die Frage, wie man die Situation ändern könnte, meinte er „Das System in die Luft sprengen und neu unter Beteiligung der Patienten aufbauen“, für einfache Reformen seien das Besitzstandsdenken zu stark ausgeprägt. Die Patienten ruft Dr. Marianowicz dazu auf, kritischer zu werden, und die Operationsempfehlung des Arztes stärker zu hinterfragen sowie sich eine zweite Meinung einzuholen. „Der Mensch muss selbstverantwortlicher werden und kritischer hinterfragen. Erst müssen alle konservativen Methoden ausgeschöpft sein.“ Diesbzgl. sieht er auch einen großen Unterschied zwischen deutschen Patienten und solchen in anderen Ländern, in denen er im Laufe der Zeit praktizierte, die Deutschen seien deutlich unkritischer. „Dass ein Bandscheibenvorfall zu 90% konservativ abheilt ist seit Dekaden bekannt“, und trotzdem werde in Deutschland aus rein finanziellen Gründen bevorzugt operiert. „Das was den Menschen teilweise angetan wird aus pekuniären Gründen ist ein Verbrechen“ und das treibe ihn an, Vorträge wie diesen zu halten und deshalb nehme er auch in Kauf, in eigenen Reihen teilweise als Nestbeschmutzer zu gelten.

Die anwesenden Unternehmerinnen waren beeindruckt von den Ausführungen von Dr. Marianowicz und entsetzt über die schonungslos beschriebene desolate Situation im Gesundheitswesen – ein wirklich aufklärender Abend für alle mit wichtigen Denkanstößen.

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